Wir würden bestellen, aber...

Potentielle Interessenten der Boeing 717 gaben öfter zu verstehen, daß sie eine 717-Familie oder zumindest eine verlängerte Boeing 717 wünschten und sich dann für die 717-200 entscheiden würden.

Courtesy: Boeing
Courtesy: Boeing

Die Ungewissheit des Programms zog sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Boeing 717 und eine nicht vorhandene 717-Familie war rückblickend einer der Hauptgründe, dass sich die Boeing 717 sehr schleppend verkaufte. Erschwerend kam hinzu, dass kaum eine Fluglinieeine Bestellung für einen Flugzeugtyp tätigen wollte, dessen Produktion wie bei kaum einem anderen Flugzeugtyp so oft in Frage gestellt wurde. Im Sommer 1997 gab es erstmals nach der Erstbestellung von ValuJet einen zweiten Hoffnungsschimmer. Die nicht mehr existierende britische Fluggesellschaft Debonair Airways war Angaben nach in ernsthaften Verhandlungen für eine Bestellung von zehn MD-95-30 + 5 Optionen. McDonnell Douglas bezeichnete die Verhandlungen mit Debonair "als sehr wichtig" und es sickerte durch, daß auf der Paris Air Show eine Bestellung bekannt gegeben werden könnte.

debonair bekundeten Interesse an bis zu fünfzehn MD-95!/Courtesy: MD-80.net
debonair bekundeten Interesse an bis zu fünfzehn MD-95!/Courtesy: MD-80.net

Kein Vertrag mit USAir

Es kursierten immer wieder Gerüchte, daß es neue Kunden geben könnte. USAir wurde als ganz große Chance angesehen und hier ging es um 50 MD-95 und 50 Optionen. Die Verhandlungen sollen daran gescheitert sein, daß USAir identische Konditionen verlangte, wie sie Erstkunde ValuJet erhielt. In dieser Phase war McDonnell Douglas oft in der internationalen Fachpresse vertreten, denn zeitgleich wurde gemeldet, daß Lufthansa die MD-11F bestellte und der Hersteller daran arbeitet, der USAir entgegenzukommen.      

USAir bekundeten Interesse an 100 MD-95!/Courtesy and Copyright: md80design
USAir bekundeten Interesse an 100 MD-95!/Courtesy and Copyright: md80design

Mit USAir kam kein Vertrag zustande, genauso auch nicht mit der nicht mehr existierenden AB Airlines. Auch Air Canada galt schon sehr früh als möglicher Kunde für die MD-95, aber nach Aussage der Fluggesellschaft wollte man lieber die langjährige DC-9-Flotte technisch durch neue Triebwerke und neue Avionik aufrüsten, McDonnell Douglas aber lieber die MD-95 an Air Canada verkaufen.  Das Modernisierungsprogramm für das Muster DC-9 war unter der Bezeichnung "DC-9X" bekannt und hier arbeiteten u.a. Air Canada, Finnair, Iberia, Northwest Airlines und SAS zusammen. Finnair und USAir sagten damals, daß man die DC-9 aufgrund ihrer guten Struktur ruhig noch weitere 20 Jahre ohne Probleme einsetzen könne und dann die DC-9 runde 40 Jahre im Einsatz stehen würde. Später bot Boeing der Air Canada einen "Walk away-deal" an. Dieses Angebot hatte große Ähnlichkeit mit der damals getroffenen Vereinbarung zwischen McDonnell Douglas, Pratt & Whitney und American Airlines im Zusammenhang mit der MD-82. Air Canada wurden offensichtlich Boeing 717 zu äußerst günstigen Konditionen und Lieferfristen und möglicher Rückgabe zu garantierten Fristen und Konditionen angeboten. Somit sollte Air Canada ein Minimum an Risiko tragen und Boeing hoffte, daß Air Canada alleine beim Einsatz der Boeing 717 sofort merken würde, daß die Boeing 717 sehr wirtschaftlich ist. Die Fluglinie hätte flexibel ihren Flottenausbau betreiben können und Boeing soll auch große Zugeständnisse bei der Ausbildung der Crews und bei der Wartung angeboten haben. Air Canada ließ sich aber auf das Geschäft nicht ein. Vielmehr kursierten Meldungen, daß Air Canada Interesse an der damals als A319M5 bezeichneten (später A318) bekunden und ihre Kurz- und Mittelstreckenflotte mittelfristig vollständig auf die A320-Familie ausrichten würde.

Durchbruch durch TWA

100 Boeing 717 sollten bei TWA zum Einsatz kommen/Courtesy: MD-80.net
100 Boeing 717 sollten bei TWA zum Einsatz kommen/Courtesy: MD-80.net

Erst im Dezember 1998 kam der "Durchbruch": TWA trat als Kunde der Boeing 717 auf und bestellte 50 Boeing 717 und es wurden Optionen für weitere 50 Flugzeuge vereinbart. TWA plante mit der Boeing 717 den Ersatz ihrer Douglas DC-9-Flotte. Die Fluglinie gab zeitgleich auch Bestellungen für Airbus A318 und Flugzeuge der A320-Familie bekannt und diese Bestellung überraschte die Fachwelt sehr. 


MyAviation.net:
Click here for bigger photo!
Photographer © Niels Melief


MyAviation.net:
Click here for bigger photo!
Photographer © Niels Melief


Europatour

Der Hersteller startete eine Verkaufstour, u.a auch in Europa. Hier wurde die Boeing 717 über 200 "Entscheidungsträgern" von 32 Fluggesellschaften vorgestellt, wobei die Boeing 717 nach ihrem Debüt auf der Paris Air Show, in Deutschland, Finnland, Griechenland, Großbritannien, Italien und Spanien Zwischenstationen einlegte und dort vor Ort die Vorzüge der Boeing 717 gezeigt werden konnten. Zu diesem Zeitpunkt galten u.a. die nicht mehr existierende Axon Airlines aus Griechenland als Kunde für fünf Boeing 717, während Olympic Aviation als weiterer Kunde für die 717 bekannt und British Midland als weiterer möglicher Kunde genannt wurde.

 

Im November 2000 wurde gemeldet, daß sich Boeing letzten Monat dieses Jahres für die Entwicklung der Boeing 717-100 entscheiden könnte. Windtunneltests hätten ergeben, daß keine besonderen Veränderungen bei der Aerodynamik notwendig wären.

AeBal entscheiden sich für die Boeing 717

Courtesy: MD-80.net
Courtesy: MD-80.net

Später sollte sich zumindest auch in Spanien die Bemühungen ausgezahlt haben, da AB Bluestar - der Arbeitstitel für die AeBal (Spanair Link) - sich dann einige Zeit später für die Boeing 717 entschied. Die Boeing 717 führte vor der Überführung in die USA noch Demonstrationsflüge ab London durch und zu diesem Zeitpunkt galt British Airways als ernsthafter Kunde für die Boeing 717! Industriekreise nahmen an, daß British Airways einen Teil oder gar alle Boeing 757 bei Boeing in Zahlung geben könnte und dafür 20 bis 40 Boeing 717 bestellen würde. Für die 757-200 hatte Boeing schon Frachtfluglinien als Interessenten und eine Umrüstung der Boeing 757 zu Vollfrachtern war schon vorgesehen. British Airways entschieden sich bekannterweise dann für die Airbus A318 und diese Entscheidung wurde vielfach als herber (weiterer) Rückschlag für die Boeing 717 gewertet. Es ist eine Ironie des Schicksals, daß sich British Airways dann aber später gegen die Abnahme der bestellten A318 entschied und als Kompensation größere Versionen der A320-Familie bestellte.  Somit hat auch hier Airbus nicht Recht, daß der Schwund an Bestellungen für A318 daran liegt, daß eine Krise herrschen würde, denn weitere A318-Kunden stornierten ihre Aufträge, kompensierten aber nahezu alle ihre Stornierungen durch Aufträge für größere Varianten der A320-Familie.

Olympic Aviation erster europäischer Betreiber

Formschön schwebt diese Boeing 717 der Olympic Aviation durch die Luft/Courtesy: Boeing
Formschön schwebt diese Boeing 717 der Olympic Aviation durch die Luft/Courtesy: Boeing

Mit der Olympic Aviation gewann Boeing dann doch noch einen ersten Airline-Kunden in Europa. Ansonsten blieb das Kaufverhalten in Europa weiterhin eher enttäuschend und machte deutlich, daß der (angeblich bessere) Name "Boeing" nicht automatisch zu besseren Verkäufen führen würde. Boeing musste feststellen, daß sich der Kreis an potentiellen Kunden verlagerte. So hatte sich mit der Olympic Aviation eine Regionalfluggesellschaft für die Boeing 717 entschieden und mit dieser Klientel hatte Boeing eigentlich weniger zutun und auch schmerzhafte Erfahrungen mit der Dash 8 gehabt, deren Hersteller einst zum Boeing-Konzern gehörte.

Hawaiian Airlines - ein wichtiger Kunde für die 717

Hawaiian Boeing 717 im klassischen Farbkleid!/Courtesy: Boeing
Hawaiian Boeing 717 im klassischen Farbkleid!/Courtesy: Boeing

Strategisch wichtig war der Verkaufserfolg bei Hawaiian Airlines, die sich als Ersatz ihrer 15 DC-9-51 für 13 Boeing 717-200 entschied und Optionen für weitere sieben Flugzeuge vereinbarte. Hawaiian Airlines nutze die Zeit bis zur Indienststellung u.a. auch dafür, die Einsatzerfahrungen anderer Betreiber der Boeing 717 zu beobachten. Die Boeing 717 bei Hawaiian haben mit Abstand die kürzesten Flüge und die höchste Anzahl an Flügen pro Tag zu bewältigen. Die Boeing 717 ersetzte die DC-9 innerhalb einer kurzen Zeit ab Frühjahr 2001.

Midwest Express entscheiden sich ebenfalls für die Boeing 717

Mit Spannung wurde auf die Entscheidung der Midwest Express im Bezug auf ein Ersatzmuster ihrer Douglas DC-9 gewartet. Midex untersuchte alle Optionen und betonte, daß die Boeing 717 nicht automatisch bessere Karten hätte, weil man Erfahrung mit der DC-9 und MD-80 hätte. Midwest Express verglichen sehr intensiv die Airbus A318 und Boeing 717 miteinander und die Entscheidung zugunsten der Boeing 717 war ein klarer Sieg für dieses Muster. Die Fluggesellschaft bestätigte, daß es gewisse Vorteile zugunsten der Boeing 717 gäbe, die erheblich seien. So sei der Kabinenquerschnitt besser für die 2+2-Bestuhlung von Midwest Express geeignet und die Boeing 717 sei generell besser für Kurzstrecken geeignet. Außerdem würden die Boeing 717 auch bei einer verringerten Sitzplatzanzahl für 88 Passagiere weniger pro Passagier wiegen als die Airbus A318 in normaler Bestuhlung. Da Midwest Airlines ein Flugzeug in dieser Kategorie benötigte und keine größeren Flugzeuge, konnte Airbus hier nicht mit der ganzen A320-Familie werben.

Trotz dieser Achtungserfolge...

Die Boeing 717 verkaufte sich schlecht. Im Jahre 2001 wurden ganze sechs weitere Boeing 717 in den Auftragsbüchern eingetragen - davon drei Optionen, die in Festorder umgewandelt wurden. Der Verkaufserfolg stellte sich schlicht nicht ein und Boeing konnte "nur" jeweils kleinere Stückzahlen an Fluglinien vermitteln; bei einigen Fluggesellschaften wurde die Boeing 717 das Einstiegsmodell ins Jetzeitalter. Boeing lieferte im Zuge der Integration von TWA in die American Airlines noch "hastig" Boeing 717 an die TWA aus, doch die Flottengröße von 30 Boeing 717 wurde nicht weiter erhöht. Bestellungen für weitere 20 Boeing 717 wurden von American Airlines storniert. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch für außenstehende Beobachter die Hoffnung, daß American Airlines wenigstens die schon ausgelieferten Boeing 717 weiter einsetzen würden.

Mitte Juni 2002  wurde bekannt, daß der Hersteller Boeing bei der Boeing 717 auf weitere Rationalisierung setzt und die von der DC-8, DC-9 und MD-80/-90 bekannten "Augenbrauenfenster" entfernt. Dadurch konnten Boeing weitere Kosten sparen und das Gewicht konnte um ca. 15 Kg verringert werden. Die erste Boeing 717 ohne die bekannten Fenster, wurde mit der Seriennummer 5110 an die AirTran ausgeliefert.

 

Ansonsten kursierten immer wieder Meldungen über ein mögliches Ende der Boeing 717-Fertigung, obwohl sich die Boeing 717 bei allen Betreibern allgemein sehr gut bewährte.

Zweifel an der Zukunft der 717-Produktion

Am 18.11.2001 wurde dann gemeldet, daß der Hersteller Boeing sehr bald eine Entscheidung im Bezug auf die Zukunft der Boeing 717 treffen würde und die Hoffnungen auf weitere Verkäufe "eher gering seien". Diese Meldung erschien zeitgleich, als American Airlines bestätigte, daß sie ihre 30 Boeing 717 ab 2002 wieder an Boeing retournieren würde.  

717-Produktion wird fortgesetzt...

Die Chancen und Aussichten standen sehr schlecht für die Boeing 717, als kurz in der ersten (?) Dezemberwoche 2001 der Hersteller Boeing bekannt gab, daß die Boeing 717 auch in Zukunft ein Bestandteil der Boeing-Familie sein wird, alle bislang entstandenen Verluste einmalig übernommen werden und die Produktionsrate stark reduziert wird. Einmalig werden Kosten von 175 Millionen US$ abgeschrieben und den potentiellen Kunden versichert, daß die Boeing 717 nicht mehr auf der Abschussliste steht, sondern "die Lösung für einen 100sitzer-Bedarf" darstellt. Zuvor wurde die Boeing 717 - wie schon an anderen Stellen erwähnt -  vermehrt als potentieller Ersatz für BAe146 und AVRO´s gepriesen. Hier wurde Qantas Link erwähnt, deren BAe146 durch (weitere) Boeing 717 ersetzt werden sollten, die von Qantas Link betrieben werden. Boeing stellte zu diesem Zeitpunkt schon fest, daß ein Großteil der Boeing 717 hauptsächlich auf sehr kurzen Routen intensiv eingesetzt wird und dieses Muster sich überaus positiv bewähren würde. Die Entscheidung zugunsten der Boeing 717 soll "die Glaubwürdigkeit des Herstellers Boeing wieder sichern", denn viele Airlines zweifelten schon an der Ernsthaftigkeit, mit der Boeing die B717 vermarktet. Boeing erhoffe sich, daß sich "die Airline-Industrie wieder erholt und dann wolle man mit der Boeing 717 präsent sein".

Anzeige:


Translation service

Best Aviation Sites
Best Aviation Sites
Best Aviation Sites Best Aviation Sites Awarded to quality aircraft information websites Best Aviation Sites
Best Aviation Sites Best Aviation Sites
Best Aviation Sites

Twitter:

Facebook:

ACTA:

Weitere Lesezeichen:

Wetter in Hamburg/Deutschland:

This website is published in German language.

Sämtliche Informationen auf MD-80.com sind wie immer ohne Gewähr. Dieser Internetauftritt ist für eine Bildschirmauflösung von 1024 x 768 optimiert.

Up where they belong...MD-80.com!

Vielen Dank für Ihren Besuch!